Du Krüppel!!!

Ändern werde ich nichts an meiner Behinderung. Sicher kann ich versuchen es etwas zu verbessern oder zumindest alles zu tun um es nicht noch schlimmer werden zu lassen. Man hat ja keine andere Wahl. Es ist halt nicht nur eine Grippe die man einfach mal eben selbst kurieren kann. Aber nicht jeder hat sich wirklich damit abgefunden. Sicher habe ich Respekt vor denjenigen, die gelernt haben mit ihrer Behinderung umzugehen und mit ihr zu leben. Dazu gehöre ich ja auch. Mit anderen Worten habe ich also auch Respekt vor mir selbst.

 

Daher gehöre ich auch absolut nicht zu jenen Menschen die es einfach kalt lässt, wenn man sie mit Worten wie z.B. Krüppel bezeichnet. Anscheinend hat sich dieser „Begriff“ mittlerweile als eine völlig normale und gängige Bezeichnung für Menschen mit körperlicher oder auch geistiger Behinderung etabliert und wird somit geduldet. Ich wurde neulich, als ich einem Freund, der übrigens noch schlimmer dran ist wie ich, klar machte dass ich so nicht bezeichnet werden will, belächelt. Wie gesagt, jedem von uns und ich meine wirklich jedem ist es bewusst das wir mit unseren mehr oder weniger entstellten Körpern oder auch wegen unserer Fortbewegung keinen Preis in einem Schönheitswettbewerb gewinnen werden. Ich werde zwangsläufig Tag für Tag daran erinnert dass ich ein „Krüppel“ bin, weil ich einfach viele Dinge nicht so bewältigen kann wie jemand der körperlich gesund ist. Ich frage mich aber mit welchem Recht bestimmte Menschen die vor der Öffentlichkeit als normal gelten einfach mit derartigen Worten um sich werfen, wobei man gerade sie als Krüppel im geistigen Sinne ansehen müsste, was man ihnen im Übrigen auch teilweise ansieht.

 

Ich werde mich mit dieser Bagatellisierung aber auf gar keinen Fall abfinden, weil ich mich nicht als ein „Krüppel“ sehe, vor allem deswegen nicht weil ich für meine Situation nichts kann.

 

Mich kotzt es langsam regelrecht an immer von anderen zu hören: „Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir nicht wünschen nicht behindert zu sein. Da gebe es wichtigere Sachen.“

 

Ich möchte wissen welche Sachen das sein sollen, wenn man überlegt welche Freiheiten einem einfach so durch die Behinderung genommen werden. Sicher möchte ich diese Reife die wir gerade durch unseren Weg erreicht haben nicht missen, denn wir schätzen daher vielleicht die wirklich wichtigen Dinge im Leben mehr. Doch ohne jetzt auf Einzelheiten einzugehen ist es für mich oft schon nervig genug ständig jemanden um mich haben zu müssen der mir helfen muss. Mit anderen Worten, ein echtes Privatleben ganz für mich allein ist nicht denkbar. Wäre ich nicht behindert könnte ich mir ganz einfach selbst helfen und das tun wonach mir gerade ist. Das ist meiner Meinung nach der wohl größte Vorteil einer Nichtbehinderten Person, obwohl das auch wieder etwas ist das nur jemand zu schätzen weiß der dies sein ganzes Leben lang hat entbehren müssen.

 

Seltsamerweise sind unter den sog. „Krüppeln“ viel weniger Alkoholiker oder Drogenabhängige. Jetzt frage ich sie mal wer da der wahre Krüppel ist.

 

Wenn die sog. „Normalos“ einiges von dem mitgemacht hätten was viele Behinderte durchstehen mussten, würden sie sich mit derartigen Äußerungen vielleicht etwas zurückhalten bzw. nach solchen Erfahrungen hätten sie dann vielleicht wirklich einen Grund zu Drogen oder Alkohol zu greifen.

 

Ich kann mich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern. Es verging kein Tag ohne Tränen weil ich nicht verstand warum gerade ich diese Schiene am Bein tragen musste und nicht eines der anderen Kinder. Warum war ausgerechnet ich anders? Ich die so viel Spieltrieb und Phantasie besaß und so gerne mit den anderen Kindern draußen herumgetobt hätte. Dank meiner Phantasie konnte ich zwar auch mein einsames Leben etwas besser ertragen. Trotzdem ist die Phantasie kein wirklicher und dauerhafter Ersatz für einen greifbaren Spielkameraden.

 

Sicher kann derjenige der gemeint ist unterscheiden ob nun jemand das Wort „Krüppel“ als wirkliche Beleidigung oder nur als Floskel verwendet. Allerdings möchte ich persönlich jeden Behinderten davor warnen die Verharmlosung derartiger Ausdrücke allzu sehr zu unterstützen. Ich finde wir etablieren dadurch eine Meinung in unserer Gesellschaft, in der ohnehin schon genug Menschen mit dem Hang zu Diskriminierung unterwegs sind.

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